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Forschung:

Neuartige Insektizide schonen Bienen und Vögel

Max-Planck-Forscher entdecken neue Möglichkeiten, Schädlinge gezielt mit Insektiziden anzugreifen, ohne andere Tiere wie Bienen zu belasten.
Bienenfest

Ionenkanäle im Nervensystem gehören zu den wichtigsten Angriffspunkten für Insektizide. Das Verständnis der Struktur der Kanäle ist der Schlüssel zur Identifizierung neuer artspezifischer Bindungsstellen von Agrochemikalien. Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Physiologie in Dortmund haben sich mit den Unternehmen Cube Biotech und Bayer Crop Science zusammengeschlossen, um die Struktur und Funktion eines Kalium-Ionenkanals aus Fruchtfliegen aufzuklären. Diese Studie deckt entscheidende Unterschiede zwischen den Kanälen in Menschen und Insekten auf, zeigt, wie bekannte chemische Substanzen den Kanal beeinflussen und schlägt neue Ansatzpunkte für Wirkstoffe vor.

Die Forschungsergebnisse könnten den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln dabei helfen, neue Substanzen zu entwickeln, die gezielt Schädlinge und Parasiten abtöten, ohne andere Tiere wie Bienen und Säugetiere zu belasten.

Die Slowpoke-Kaliumkanäle in der Fruchtfliege Drosophila sind riesige und komplexe Proteine, die in der Zellmembran sitzen und Kaliumionen schnell und selektiv über diese transportieren. Sie existieren in allen Tieren und üben verschiedenste Aufgaben aus, vor allem im Gehirn und in Muskelzellen. Diese essentielle Rolle macht die Kanäle zu einem wichtigen Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer zielgerichteter Insektizide. Die Entwicklung solcher neuartiger Substanzen ist wichtig, da die Wirkung aktuell benutzter Insektizide durch die große Verbreitung von Resistenzen immer weiter abnimmt. Es besteht jedoch immer die Gefahr, dass man nicht richtig zielt: "Im Idealfall möchte man, dass die Insektizide wirklich nur gegen bestimmte Schädlinge wirksam sind und Menschen oder Tiere wie Vögel, Nagetiere und Bienen nicht belasten", sagt Stefan Raunser, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund und Hauptautor der Studie.

Um spezifische Wirkstoffe gegen Schädlinge entwickeln zu können, benötigt man hochauflösende Strukturen der Ionenkanäle. Mit der Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) konnten Raunser und sein Team die Strukturen des Kanals im offenen und im geschlossenen Zustand bestimmen und diese mit den bereits bekannten Strukturen der menschlichen Proteine vergleichen. "Die Unterschiede zwischen menschlichen und Insektenkanälen sind wirklich winzig, aber wir haben Proteinregionen gefunden, die spezifisch für Insekten sind", sagt Raunser.

Detaillierte Karte des Kaliumkanals für die Wirkstoffentwicklung

Eine bestimmte Stelle des Kanals, die so genannte RCK2-Tasche, weist in Drosophila und Menschen unterschiedliche Aminosäuren auf. Sie befindet sich am sogenannten Gating-Ring am unteren Ende des Kanals. Diese Art Schleuse sitzt im Inneren der Zelle, nimmt Calciumionen auf, wenn sie reichlich vorhanden sind, und löst eine Kaskade von Umlagerungen aus, die den zentralen Hohlraum für den Durchtritt von Kaliumionen öffnet. Die RCK2-Tasche ändert ihre Form während dieser Öffnung. Daher könnte sie ein perfektes Ziel für kleine Moleküle sein, die den Kanal in einem der beiden Zustände festhalten könnten. Die Forschenden haben auch andere Angriffspunkte für Medikamente ausfindig gemacht die nicht insektenspezifisch sind. Dazu gehört die S6-Tasche, die im geschlossenen Zustand auftritt und zur Blockade des Kanals genutzt werden könnte. "Wir liefern PharmazeutInnen eine detaillierte Karte des Kaliumkanals, die sie zur Entwicklung besserer, hochselektiver Insektizide nutzen können", schlussfolgert Raunser.

Darüber hinaus haben die Forscher auch die Kryo-EM-Strukturen des Kanals mit zwei bekannten Verbindungen, Verruculogen und Emodepsid, gelöst. Das kleine Molekül Verruculogen ist ein Nervengift bestimmter Pilze, das perfekt in die S6-Tasche in der Nähe des zentralen Hohlraums passt. Verruculogen hält den Kanal eng und verschlossen. Emodepsid, ein Medikament gegen Darmparasiten bei Katzen und Hunden, bindet ebenfalls in der Nähe der S6-Tasche. Es wirkt jedoch anders, nämlich wie ein zusätzlicher Filter, der es dem Kalium erschwert, den Kanal optimal zu durchqueren. "Es ist wichtig zu verstehen, wie diese Liganden den Kanal manipulieren können", sagt Raunser.

(Zuletzt geändert: Samstag, 25.12.21 - 20:54 Uhr   -   2769 mal angesehen)
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